Dimensionen der Realität: Was ist AR?

von Katharina Weiss

Leben in der Matrix... Der Film aus dem Jahr 1999 zeichnet bereits eine dystopische Welt, die jedoch eine faszinierende Idee verkörpert. Seitdem es Maschinen gibt, stellen wir uns natürlich auch die Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten unseres technologischen Fortschritts. Die Tetralogie rund um die Matrix ist eine der beliebtesten, wenn auch nicht die erste Arbeit, die sich mit menschlichen Seelen in einer digitalen Welt beschäftigt. Viele weitere Werke mit ähnlichem Ansatz sind daraufhin entstanden. Doch was wäre, wenn wir diese Vorstellung umkehren würden? Was, wenn nicht wir in einer digitalen Welt leben, sondern die digitale Welt in unserer realen Welt ein Echo findet? Willkommen in der Welt der „Augmented Reality“ - einer Welt, in der sich Reales und Digitales auf eine faszinierende und nützliche Weise verbinden, weit entfernt von jeglicher Dystopie. In diesem kurzen Ausflug wird auf die Fragen nach dem Was? Wann? Wie? und Wofür? eingegangen, um ein solides Grundverständnis für diese Technologie zu entwickeln und sich ein eigenes Bild davon zu machen, wie nah oder fern wir einem digitalen Dystopia oder gar einer Utopie sind!“

Abbildung 1: (Quelle: Bild von Egonetix_xyz auf Pixabay)

AR - Was bedeutet dieses Akronym?

AR steht für „Augmented Reality“ und bezeichnet eine Technologie, die digitale Inhalte in die reale Welt einbettet. Es handelt sich dabei um eine Art künstliche Realität, die über das natürliche Sehen und Empfinden hinausgeht. Das Wort „augment“ kann grob mit „vergrößern“ oder „erweitern“ übersetzt werden, was bedeutet, dass „Augmented Reality“ im Deutschen so etwas wie „erweiterte Realität“ bedeutet. AR nutzt verschiedene Arten von Sensoren, Kameras und Computerchips, um diese digitalen Inhalte in Echtzeit zu übertragen. Diese Inhalte können Bilder, Animationen oder sogar interaktive Elemente wie Buttons oder Schaltflächen sein. Dafür wird beispielsweise die Kamera eines Geräts genutzt, um die Umgebung zu erfassen und darauf virtuelle Schaltflächen zu projizieren.[1]

Wann wurde diese Technologie entwickelt?

Die Idee von AR entstand bereits in den 1960er Jahren, als Ivan Sutherland und Bob Sproull an der University of Utah die erste AR-Anwendung entwickelten. Die Anwendung namens „The Sword of Damocles“ projizierte digitale Informationen in die reale Welt und ermöglichte es dem Nutzer, die Welt um ihn herum zu erweitern.[2] Zu dieser Zeit war die Technologie jedoch noch nicht ausgereift und weitere Entwicklungen waren erforderlich, um sie in der Praxis einzusetzen.

Erst in den 1990er Jahren erreichten die Technologie und die Hardware einen Punkt, an dem verschiedene AR-Systeme von Forschern und Unternehmen weiterentwickelt werden konnten, wie zum Beispiel die „Virtual Fixtures“ von Louis Rosenberg in den 1990er Jahren.[3]

Der kommerzielle Durchbruch begann in den 2010er Jahren mit der Einführung von Smartphones und Tablets. Die Veröffentlichung der AR-App „Pokémon Go“ im Jahr 2016 führte zu einer breiten Akzeptanz und Popularität von AR-Anwendungen, auch bei der breiten Öffentlichkeit.

Die Geschichte von AR ist jedoch keineswegs zu Ende erzählt. Mit den Fortschritten in Hard- und Software eröffnen sich kontinuierlich neue Chancen. Dadurch werden diese binären Zahlen immer mehr Möglichkeiten haben, einen Einfluss auf verschiedene Bereiche unseres täglichen Lebens zu nehmen.

Wie funktioniert die Verknüpfung der beiden Welten?

Um eine erfolgreiche Verknüpfung zu ermöglichen, benötigt die „digitale“ Welt zunächst eine Abbildung der „realen“ Welt, die erweitert werden soll. Die zweite Komponente dieses Rezepts besteht aus dem digitalen Objekt, sei es ein Button, ein Bild oder eine Animation. Um die tatsächliche Verbindung herzustellen, stehen verschiedene Varianten zur Verfügung, die im Folgenden kurz umrissen werden:

Markerless AR

Dies ist vermutlich die simpelste Variante, bei der das Kamerabild unverändert verwendet wird. Mithilfe von Algorithmen, die Objekte erkennen können, wird eine grobe Schätzung dessen vorgenommen, was sich im Kamerabild befindet. Anschließend wird ein digitales Objekt in das Kamerabild projiziert. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Pokémon Go, bei dem ein Pokémon einfach im Wohnzimmer „platziert“ werden kann und der Trainer mit ihm interagieren kann - zumindest im Idealfall. Es kann jedoch vorkommen, dass das Pokémon plötzlich so groß dargestellt wird, dass es den gesamten Bildschirm einnimmt, oder dass es gar nicht erst richtig platziert werden kann. Dies verdeutlicht einen Nachteil dieser Variante: Abhängig von den Lichtverhältnissen, der Position der Kamera und den im Bild erkennbaren Objekten kann es schwierig sein, realistische 3D-Proportionen zu berechnen. Die jeweilige App trifft möglicherweise falsche Annahmen oder der Vorgang funktioniert aufgrund unzureichender Einschätzungen von Anfang an nicht richtig.[1]

Marker-based AR

Marker-based AR nutzt, wie der Name bereits vermuten lässt, zusätzlich zu den Daten, die das Kamerabild liefert, Informationen über sogenannte „Marker“. Diese Marker sind in der Regel 2D-Objekte wie fest platzierte QR-Codes, Seriennummern oder feste Objekte, die zusätzliche Informationen liefern können, wie die Orientierung im Raum, die Maße eines Objekts oder die Möglichkeit einer direkten Interaktion vor Ort, beispielsweise das Abspielen von Musik oder das Öffnen einer Website. Es ist also möglich, digitale Inhalte wie eine Website aus der realen Welt heraus über einen QR-Code aufzurufen oder zu verlinken. In vielen Bereichen verschwimmen die Grenzen zwischen der realen und der digitalen Welt. Wenn ich beispielsweise auf meinem Handy einen QR-Code öffne, um ein WLAN-Passwort zu teilen und jemand anderes dieses mit seinem Smartphone scannt, kann dies streng genommen ebenfalls als „AR“ betrachtet werden, auch wenn die reale Interaktion sehr kurz ist und der größte Teil digital abläuft.[1]

Layered AR

Layered AR ist letztendlich eine Erweiterung der „Marker-based“ Variante. Auch hier werden die Informationen, die beispielsweise von der Smartphone-Kamera geliefert werden, um einen „Layer“ erweitert. Das bedeutet, dass deutlich mehr Informationen verfügbar sind. Zum Beispiel kann mithilfe des Standorts, der räumlichen Orientierung des Handys und der zusätzlichen Schicht einer Stadtkarte (Layer) eine Echtzeit-Navigation über das Kamerabild erfolgen.[1]

Projection AR

Bei dieser Variante wird das Prinzip wieder umgedreht: Statt Daten aus der realen Welt zu nutzen, um digitale Inhalte zu erhalten, wird die Technologie verwendet, um reale Interaktionen zu ermöglichen. Vereinfacht dargestellt handelt es sich hierbei um Projektionen von Hologrammen, die ein reales Objekt imitieren, wie zum Beispiel eine Tastatur. Wenn mit diesem Hologramm interagiert wird, verhält sich die Tastatur wie eine „echte“ Tastatur, obwohl sie keine physischen Tasten besitzt.[1]

Wofür kann AR verwendet werden?

Kurz gesagt, AR findet in vielen Bereichen Anwendung. Es gibt unendlich viele Beispiele, von Spielen über Medizin, Werbung, Büroarbeit, Archäologie, Bildung bis hin zur Kunst. Schon einmal spontan Eintrittskarten für das Museum im Belvedere gekauft? Nein? Hier ist ein schneller Tipp für spontane Menschen: Der QR-Code befindet sich direkt neben der Eingangstür und erspart lange Wartezeiten, selbst wenn man schon vor Ort ist. In Zeiten von Corona konnte man mit derselben Technik sogar vor Ort spontan Termine zum Impfen vereinbaren. Das Metaverse hat bereits gezeigt, wie Remote-Arbeit aussehen kann, indem es digital gut ausgestattete Büroflächen bereitstellt, ohne dass man seine Liebe zu Flipcharts, echten „Stand-Ups“ und Tafeln aufgeben muss. „VR Tube“ ermöglicht introvertierten und kamera-scheuen Personen sogar das Drehen von Videos vor der Kamera, ohne sich selbst wirklich zeigen zu müssen. Dies sind nur einige kurze Beispiele. Im Artikel „Die faszinierende Welt der Augmented Reality: Inspirierende Beispiele für immersive Erlebnisse“ findest du noch weitere Beispiele mit ausführlicheren Beschreibungen (Seite 14).

Abbildung 3: (Quelle: Bild von zedinteractive auf Pixabay)

Utopia oder Dystopia?

Als Fazit lässt sich sagen: weder noch. Es gibt eine Vielzahl faszinierender Anwendungsmöglichkeiten, die zweifellos den Alltag in vielen Bereichen erleichtern können. Dennoch wird Augmented Reality nicht die weltbewegenden Probleme wie Kriege oder die Klimakrise lösen. Eine Versklavung der Menschheit innerhalb einer Simulation ist ebenfalls weit entfernt. Ob die Technologie einen Mehrwert für unsere Gesellschaft bietet oder zu einer Gefahr werden kann, liegt wie bei vielen Dingen in den Händen der Anwender. Unsere menschliche Technologie kann Wunder in der Medizin bewirken, aber auch Existenzen im Krieg zerstören. Es liegt an uns, zu entscheiden, in welcher Zukunft wir leben wollen und auf welche Weise wir dorthin gelangen werden.

Quellen und weiterführende Informationen

[1] https://www.lifewire.com/augmented-reality-ar-definition-4155104

[2] Shuterland, I.E. (1968), „A head-mounted three dimensional display“ , „Proceedings of AFIPS 68, S. 757 - 764

[3] L.B. Rosenberg (1992), „The Use of Virtual Fixtures As Perceptual Overlays to Encance Operator Perfomrance in Remote Enviroments“,TechnicalReportAL-TR-0089,Wright-PattersonAFBOH: USAF Armstrong Labratory

Autor
SEQIS Autor Katharina Weiss
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