Projektmanagement-Standards und -Methoden in a Nutshell

Agile Transformation, Arbeitspakete, Wasserfallmodel, Iteration, ISO-Norm 21500, Pflichten- und Lastenheft, Strukturplan, Scrum, … - die Schlagwörter aus und um das Projektmanagement sind allgegenwärtig, doch was sind tatsächlich die wesentlichen und aktuellen Standards und Methoden?

Was ist eigentlich ein Projekt…
von lateinisch proiectum – ‚das nach vorne Geworfene‘

Projekte sind so vielfältig wie Schneeflocken und keines gleicht dem anderen. Daher gibt es – leider! – keine Patentlösung, die man über eine neue Projektidee legen kann und mit der dann alle Aspekte adäquat und erfolgreich abgewickelt werden können. Grob gesagt ist es aber stets ein Umsetzungsvorhaben in der Zukunft und es können eine Reihe von Gemeinsamkeiten und Wirkmustern, Prozessen, Erfolgsfaktoren, Dynamiken und Risiken beobachtet werden.

Projektmerkmale

  • Ziel
  • Begrenzung von Zeit und Ressourcen
  • Projektspezifische Organisation
  • Neuartigkeit & Einmaligkeit
  • Komplexität
  • Involvierung mehrerer Fachbereiche

…und was versteht man genau unter Projektmanagement (PM)?

Diese Faktoren kann man planen, beobachten und steuern und damit erheblichen Einfluss auf den Erfolg des Ergebnisses, aber auch eine möglichst reibungslose Qualität des Umsetzungsprozesses nehmen. In anderen Worten: Projektmanagement.

Projektmanagement ist die Anwendung von Methoden, Hilfsmitteln, Techniken und Kompetenzen in einem Projekt. Es umfasst das […] Zusammenwirken der verschiedenen Phasen des Projektlebenszyklus. – ISO-Norm ISO 21500:2012

Standards und Frameworks vs. Methoden

Daher gibt es sowohl internationale Standards / Normen und Frameworks, als auch ausgearbeitete Methoden, die allgemeine Ansätze bieten um die Herausforderungen dieserart Vorhaben besser, leichter und mit größerer Erfolgswahrscheinlichkeit meistern zu können.

Dabei bilden die Normen und Frameworks die übergeordnete Strukturbeschreibung. Wie eine Art Leitfaden beschreiben sie die Prozesse und Modelle und definieren die zentralen Inhalte, den Rahmen und die grundlegenden Begrifflichkeiten des PM. Sie erfassen allgemeingültig den Wissensbestand und was als gute und professionelle PM-Praxis gilt. Frameworks enthalten bereits viel detailliertere Informationen über PM-Prozesse, Werkzeuge und Techniken als Standards.

Alle Methoden behandeln die Kernprozesse des PM

  • Initiation
  • Planung
  • Umsetzung
  • Controlling
  • Projektabschluss

Worin sie sich jedoch unterscheiden, ist wie sie diese Prozesse anordnen und umsetzen. Ursächlich dafür ist das zugrunde liegende Dilemma von Projekten, das als Magisches Dreieck des PM bezeichnet wird. Jedes Projekt bedeutet die Umsetzung eines bestimmten Umfangs (=Inhalt) in einer gewissen Zeit zu gewissen Kosten.

Abbildung 1: Magisches Dreieck des PM; links Serielles, rechts Agiles PM (Quelle: SEQIS GmbH)

Leider ist die perfekte Einschätzung und Umsetzung aller Größen in der Realität komplexer Projekte kaum möglich. Das Projektmanagement kann drei der Stellschrauben beeinflussen: Umfang, Zeit und Kosten. Die Qualität als vierte Größe ist durch diese Veränderungen beeinflusst. Daher bestimmt eine angemessene Wahl der PM-Methode hier, welche Größen im Projekt als fix und welche als adaptierbar(er) betrachtet werden.

Dabei unterscheidet man zwei grundlegende methodische Gruppen:
1) Serielles und 2) Agiles PM.

1) Serielle PM-Methoden

Dieser Ansatz, bekannt v.a. durch das Wasserfallmodell, bestimmte das PM des 20. Jahrhunderts.

Abbildung 2: Wasserfallmodell (Quelle: SEQIS GmbH)

Er beschreibt ein lineares Vorgehen, in dem die Projektprozesse in eindeutig definierten Phasen aufeinander folgen und erst nach Abschluss einer Phase die nächste begonnen wird. Die Ergebnisse der vorhergehenden Phase dienen als verbindliche Basis für die nachfolgende. Hier wird das Ergebnis erst ganz am Ende des Projekts offensichtlich. Durch Reporting und Controlling wird der Status erfasst.

In Bezug auf das magische Dreieck ist in dieser Vorgehensweise durch die Festlegung der Anforderungen in der ersten Phase der Umfang fixiert (vgl. Abbildung 1 links). Dadurch muss bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten oder Veränderungen an den Stellschrauben Kosten oder Zeit gedreht werden, also mehr Geld oder mehr Zeit zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis muss dann auch häufig die Qualität hier Abstriche erleiden.

2) Agile PM-Methoden

Die sogenannten agilen Methoden haben ihren Ursprung in der Softwareentwicklung (vgl. das Agile Manifesto von 2001[2]). Sie tragen der Tatsache Rechnung, dass der Faktor Zeit das wesentliche Kriterium ist, das unbedingt eingehalten werden muss. Daher fixieren agile Methoden Zeit und Kosten (s. Abbildung 1 rechts), aber der Umfang des Projektinhaltes wird initial nur geschätzt und erst im Laufe der Umsetzung verfeinert. Durch eine Priorisierung der Inhalte in

  • Absolut notwendig
  • Wichtig, aber nicht verpflichtend notwendig
  • Wäre schön, aber ist eher ein „Zuckerl“

wird sichergestellt, dass die unabdingbaren Ziele des Projekts umgesetzt werden. Im Falle von Verzögerungen können aber Abstriche im Umfang bei den weniger wesentlichen Features gemacht werden. Dafür wird ein sog. iterativer und inkrementeller Prozess verwendet, also eine Abfolge von Kernprozessen, die mehrfach wiederholt wird, und in denen schrittweise Teile des Umfangs hinzukommen.

Abbildung 3: Agile Methode (Quelle: SEQIS GmbH)

Ein weiteres Prinzip ist, dass am Ende jeder Schleife ein verwendbares, wenngleich vielleicht noch nicht vollständiges oder perfektes Ergebnis produziert wird, das den Nutzer-/KundInnen zur Verfügung gestellt werden kann. So ist es möglich, sehr früh Nutzen oder sogar Umsätze damit zu erzielen. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass schon sehr früh Nutzerfeedback zu den Produkten eingeholt werden können. Zeigt sich hier, dass eine Veränderung der Features notwendig ist, kann dies direkt angepasst werden und das Ergebnis hat eine größere Erfolgs- und Akzeptanzwahrscheinlichkeit als in der seriellen Methode. Vorgehen und Status werden in selbstorganisierenden Teams diskutiert und der Fortschritt ist in täglich aktualisierten Boards und Charts einsehbar.

Welches ist also die richtige Methode?

Die Antwort auf diese Frage ist abhängig von den Rahmenbedingungen des jeweiligen Projekts, der Geisteshaltung und Flexibilität des Unternehmens, sowie vielen weiteren Kriterien. Hier eine Darstellung der wichtigsten Dimensionen in Projekten, die bei der Auswahl der richtigen PM-Methode berücksichtigt werden sollten.

  • Business Value – Beitrag zur Profilierung / Positionierung des Unternehmens Langfristig: Strategisches Projekt. Kurzfristig: taktisches Projekt.
  • Komplexität – Standard > schwierig > komplex > chaotisch[3]
  • Inhalte – Branche und Mindset
  • Innovationsgrad/Projektart – Innovationsprojekt > Fachprojekt > Routine-/Wiederholungsprojekt
  • Investitionsvolumen – klein > mittel > groß
  • Zeit – Dauer, Deadlines
  • Kommunikation – lokal, regional bzw. international / interkulturell
  • Formalisierungsgrad – Reporting-/Audit-Notwendigkeit
  • Projektorganisation – Befugnisse der PL (fachliche - Firmen - keine)
  • Auftraggeber – intern <> extern (=Auftragsprojekt mit PL auf beiden Seiten)
  • Vorbedingungen – inklusive Beschaffung, Integration im Unternehmen
  • Stakeholder – Beteiligung, Verfügbarkeit
  • Qualität und Risiko – inklusive Reglementierungen/ Auflagen, Sicherheit

Folgende Tabelle bietet eine Übersicht, welche tendenziellen Vor- und Nachteile beide Ansätze mitbringen.

Fazit

Auch, wenn ein agiler Ansatz auf den ersten Blick weniger klar erfassbar und unsicherer erscheint, bieten die z.T. seit über einer Dekade bewährten und stetig verbesserten Methoden effektive Strukturen an um Projekte erfolgreich – und vor allem zeitgerecht – zu managen. Grundsätzlich ist keine der Methoden nachweislich besser und es gibt für alle Lager einschlägige Erfolge und Fails.

„Es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre.“[5] („Gesetz des Instruments“ oder „Maslows Hammer“) – Abraham Maslow

Wir empfehlen keinesfalls eine sture Umsetzung einer Methode, sondern eine Adaptierung an die spezifischen Anforderungen des Projekts und der Beteiligten. Wenn sich ein Projekt nach der Analyse der verschiedenen Dimensionen beispielsweise als sehr sicherheitskritisch und starker regulatorischer Kontrolle durch Audits unterzogen sieht, so liegt es nahe, einen seriellen Ansatz mit seinem höheren Grad an Formalisierung zu wählen. Umgekehrt wäre dieser eher umständlich für ein Projekt mit vielen kleinen Features, die möglichst schnell auf den Markt kommen sollen. Wer größere Projekte agil umsetzen möchte, dem/der seien weniger leichtgewichtige Methoden (wie Scrum oder Kanban) empfohlen, sondern eher die DSDM AgilePM Methode des Agile Business Consortiums, die den gesamten Projektlebenszyklus strukturiert.

In der Praxis finden auch hybride Modelle, also die Mischung aus verschiedenen Methoden, erfolgreichen Einsatz. Wichtig ist in jedem Fall eine gewissenhafte Bedarfsanalyse im Vorfeld und dann eine konsequente Umsetzung der gewählten Arbeitsweise.

Quellen und weiterführende Informationen: 

[1] vgl. https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/projektmanagement

[2] https://agilemanifesto.org

[3] Mehr zum Thema Komplexität im Artikel „Das Cynefin-Framework“ von Stefan Ladstätter-Thaa in der QN H2/2020

[4] Mehr zur VUCA-Welt auf Seite 32 der QualityNews H1/2022

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Law_of_the_Instrument

ISO 21500:2012 (~dt. Norm DIN ISO 21500:2016-02) - https://de.wikipedia.org/wiki/ISO_21500

DIN 69901-5:2009-01 - https://de.wikipedia.org/wiki/DIN_69901

PMBOK® Guide des Project Management Institute (PMI) – globale Organisation - https://de.wikipedia.org/wiki/PMBOK-Guide

AgilePM (DSDM) - https://www.agilebusiness.org/page/whatisdsdm

PRINCE2 - https://de.wikipedia.org/wiki/PRINCE2

IPMA Individual Competence Baseline (ICB) 4.0 - https://de.wikipedia.org/wiki/International_Project_Management_Association#IPMA_Individual_Competence_Baseline

PRiSM - https://gpm-emea.org/gpm/prism-methodology/

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