ShuHaRi
Was man von japanischer Kampfkunst lernen kann
Einleitung
ShuHaRi (jap. 守破離) ist ein Begriff, der aus der japanischen Kampfkunst stammt und die drei Lernstufen zur Meisterschaft, aber auch den Reifeprozess im Leben, beschreibt. Dieser Ansatz beschreibt die verschiedenen Phasen, die man durchschreitet, wenn man neue Konzepte und Methoden lernt
Shu, Ha und Ri
Im Grunde kann man Shuhari grob als „folge den Regeln, dann breche die Regeln und schließlich meistere die Regeln“ übersetzen. Die einzelnen Wortbestandteile stellen zugleich die einzelnen Phasen dar, die ein Schüler auf dem Weg zum Meister durchschreitet:
Shu
SHU: beschützen, verteidigen, einalten, befolgen (Kindheit & Jugend)
In der ersten Phase, Shu, hat der Schüler die Aufgabe, zu lernen und seinen Meister nachzuahmen, ohne das Gelernte in Frage zu stellen oder zu verändern. Die Übungen werden solange ins Muskelgedächtnis übertragen, bis diese ohne nachzudenken abgerufen werden können.
Ha
Ha: zerreißen, durchbrechen (mittlere Reife)
Erst in der nächsten Phase, Ha, wenn der Schüler die korrekte Anwendung verinnerlicht und die Hintergründe verstanden hat, lernt dieser, zu hinterfragen und zu verstehen. Der Schüler hat die Aufgabe, das Gelernte auf seinen Sinngehalt hin zu prüfen und für sich nutzbar machen, um dadurch schlussendlich bessere Ergebnisse erzielen zu können. Grob gesagt, experimentiert dieser mit den Regeln – lässt welche weg, fügt welche hinzu, passt sie an – bis er das für sich optimale Ergebnis gefunden hat.
Ri
Ri: sich entfernen, sich trennen, abschneiden (Alter und Erfahrung)
Unter Ri wird die vollkommene Meisterschaft verstanden, da der Schüler in dieser Phase alles Gelernte verinnerlicht hat und nur noch den dahinterstehenden Ideen, Prinzipien und Werten folgt. Der zum Meister gereifte Schüler hat gelernt, aus seinen Erfahrungen heraus eigene Regeln aufzustellen und entwickelt so die Disziplin selbst weiter.
ShuHaRi beim Daily Stand Up
Diese Philosophie findet allerdings nicht nur in der japanischen Kampfkunst Anwendung, sondern kann auf jedes Konzept umgelegt werden, welches erst erlernt werden muss. So kann man es mit Leichtigkeit auf agile Methoden umlegen.
Betrachten wir diese Idee einmal mit einem konkreteren Beispiel – dem Daily Stand-Up:
SHU:
- Das Team hält sich beim Stand-Up lehrbuchmäßig an die drei Fragen:
- Was hat man seit dem vorherigen Stand-Up gemacht?
- Was hat man bis zum nächsten Stand-Up geplant?
- Wo gab es Probleme?
- Ein „Meister“ begleitet das Stand-Up und passt auf, dass man ausschließlich bei der Beantwortung der drei Fragen bleibt und nicht abschweift. Er achtet darauf, dass man die Regeln kennt und diese einhaltet. In dieser Phase hat der „Meister“ eine lehrende Rolle.
HA:
- Hat das Team die Beantwortung der drei Fragen verinnerlicht und führt diese selbstständig durch, kann die Struktur angepasst werden:
- Die Formulierung der Fragen kann angepasst werden.
- Weitere Fragen können nach Bedarf hinzugefügt werden (z.B. „Ich könnte heute Hilfe von xy gebrauchen.“).
- Es werden Beispiele aus der Praxis herangezogen, damit experimentiert und probiert, was man ändern, ergänzen oder streichen kann, um es an die eigenen Bedürfnisse anzupassen, um sein Ziel besser erreichen zu können.
- Der „Meister“ begleitet das Team in dieser Phase als ein Mentor. Er ermutigt Ideen und das Experimentieren mit den Regeln, damit das Team einen eigenen Weg findet, mit dem es erfolgreich arbeiten kann.
Ri:
- Das Team hat die Struktur des Stand-Ups vollkommen verinnerlicht und kann die gewünschten Informationen auch ohne die strenge Einhaltung der Fragen weitergeben.
- Das Team hat die notwendige Reife und Einstellung erreicht, sich selbst zu überwachen und selbst zu verbessern.
- Es wird nicht mehr an Beispielen anderer Leute gelernt, sondern von der eigenen Praxis und den Erfahrungen, die man dabei macht.
- Das Stand-Up läuft schnell und effektiv ab und das Team kann sich an jede Situation anpassen, die ihnen entgegenkommt.
- Der „Meister“ steht beratend zur Seite und gibt Feedback.
Fazit
Die einzelnen Phasen bauen aufeinander auf und sollten nicht leichtfertig durchsprungen werden. Denn erst durch das Erleben der agilen Arbeitsweise (Shu) wird ein wirkliches Verständnis ermöglicht (Ha), auf dessen Grundlage neue Methoden und Prozesse aufgebaut werden können (Ri).