Umgang mit Komplexität im Projektmanagement

von SEQIS

„Planung ersetzt Zufall durch Irrtum“ (Albert Einstein)

Nie zuvor war dieser Spruch zutreffender als in der heutigen Zeit, wo durch unvorhersehbare Ereignisse wie Corona, aber auch durch die zunehmende Vernetzung und Globalisierung, das Umfeld für Projekte immer komplexer wird. Zum Glück gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln für den Umgang mit Komplexität, die im folgenden Artikel vorgestellt werden.

Komplex ist es, wenn es „menschelt“

Projekte sind immer auch soziale Systeme und finden in einem sozialen Kontext statt. Sie sind per Definition komplex und von daher nicht bis ins Detail ergründbar. Dies trifft auf Marktdynamiken genauso zu wie auf die Wünsche und Befindlichkeiten von Einzelpersonen. Mit Fehler-Ursachen-Analyse kommen wir hier nicht weit, statt Ursache und Wirkung gibt es in komplexen Systemen „Emergenz“ – die richtigen Lösungen müssen sich erst herauskristallisieren. Doch dies muss man auch zulassen können.

Abbildung 1: (Quelle: Pixabay)

Abbildung 1: (Quelle: Pixabay)

Der Schlüssel zum Erfolg: Sicherheit in der Unsicherheit

Wir Menschen fühlen uns mit Komplexität und der damit einhergehenden Unsicherheit unwohl. Um dem daraus resultierenden Stress entgegenzuwirken, sind Projektmanager und Führungskräfte aufgefordert, ein inklusives (dh. ein für alle Möglichkeiten und individuellen Sichtweisen offenes) Umfeld zu schaffen, wo sich Projektbeteiligte sicher fühlen können. Erst dann kann Lernen und Höchstleistung stattfinden. Als praktischen Leitfaden dazu sei das Buch „Die angstfreie Organisation“ von Amy Edmondson empfohlen.

Ein Umfeld von psychologischer Sicherheit hat viele Vorteile: Wir tappen nicht in die Ego-Falle, alles wissen zu müssen und keine Fehler machen zu dürfen. Wir können wieder mit Neugier an die Problemstellungen herangehen. Wir können Dissens zulassen, ohne uns bedroht zu fühlen. Hierarchien werden abgebaut, wir können Stellung nehmen und unsere Werte leben. Es entsteht Empowerment und Teamgeist, mit dem damit einhergehenden Verantwortungsgefühl für Qualität und den Projekterfolg.

Die Alchemie der Demut

In einem Umfeld der Sicherheit gelingt es, in Demut zu akzeptieren, dass wir aufgrund der Komplexität keine bindenden Aussagen über die Zukunft treffen können. Dies schafft Freiraum für Erfolg. Wir treffen keine überhasteten Entscheidungen, sondern erkennen den Wert und trachten danach, möglichst lange und möglichst viele Optionen offenzuhalten. Wir messen den zugrundeliegenden Zielen und Strategien mehr Wichtigkeit bei als unserer Planung, und bleiben damit flexibel.

Wir streben immer noch danach, Anforderungen möglichst vollständig zu ermitteln. Immer mit dem Ziel, ein kohärentes Gesamtbild entstehen zu lassen, auf das wir zusteuern können. Dabei bleiben wir jedoch bewusst unscharf, weil wir wissen, dass sich noch viel ändern kann.

Konsequenter Weise empfiehlt es sich, die noch unscharfe Gesamtlösung in kleinere Häppchen zu teilen und Stück für Stück umzusetzen. Damit reduzieren wir die Lösungs- und Umsetzungskomplexität. Nach jeder Etappe können wir reflektieren, ob wir uns noch in die richtige Richtung bewegen. Wir erliegen nicht der Versuchung, alles auf eine Karte (und damit womöglich in den Sand) zu setzen.

Auch unsere Experimentierfreudigkeit wird gefördert und dadurch Raum für Innovation geschaffen, z. B. durch Exaptation, also dem Zweckentfremden von Dingen und Methoden aus gänzlich anderen Bereichen. Hierfür lohnt es, bei der Zusammensetzung der Projektbeteiligten auf Diversität sowie Inter- und Multidisziplinarität zu setzen. Dies hat noch einen weiteren Vorteil: Ein Schlüssel zum Erfolg in komplexen und dynamischen Kontexten ist das Erkennen und Wahrnehmen von Opportunities. In einem diversen und inklusiven Umfeld ist es möglich, auch schwache Signale zu erkennen (weil wir nicht alle die gleichen Filter tragen) und diese zu kommunizieren (weil wir keine Angst vor einem Backlash haben müssen). 

Wem kommt das alles bekannt vor? Das ist keineswegs Zufall. Das Bestreben, die zunehmende Komplexität von Projektumfeldern und Aufgabenstellungen in den Griff zu bekommen, war die Grundlage für die Prinzipien agiler Softwareentwicklung.

Abbildung 2: Cartoon Resource (Quelle:Shutterstock.com)

Abbildung 2: Cartoon Resource (Quelle:Shutterstock.com)

Projektmanagement heißt, Barrieren aus dem Weg zu räumen

Dies gilt im heutigen, komplexen Umfeld genau wie anno dazumal. Dafür hier noch einmal eine kompakte Liste von Faustregeln für den Umgang mit Komplexität:

  • Zielrichtung bestimmen statt elaborierte Planung
  • Wissen, dass wir nicht alles wissen (können)
  • Rahmenbedingungen für ein sicheres, inklusives und diverses Umfeld schaffen, Teamwork statt Hierarchie
  • Keine großen Sprünge, sondern in den besten benachbarten Zustand wechseln – kleine Experimente mit wenig Risiko statt Big Bang
  • Wissen, dass jede Intervention unerwartete Nebenwirkungen haben wird
  • Optionen offenhalten, Entscheidungen so lange wie möglich hinauszögern

Quellen und weiterführende Informationen:

„Die angstfreie Organisation“ von Amy Edmondson

Blog-Artikel Das Cynefin-Framework: Komplex oder kompliziert? von Stefan Ladstätter-Thaa. Quality News H2/2020, Seite 16

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