Wardley Maps: Strategiepotenziale aus Wertschöpfungsketten ableiten
von Helena Thurner
Mit Wardley Maps lassen sich Wertschöpfungsketten innerhalb einer Organisation auf eine Weise abbilden, die ein Verständnis von komplexen Zusammenhängen erleichtert und eine direkte Ableitung von strategischen Potenzialen ermöglicht. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick zum Thema und den einzelnen Schritten.
Alle Modelle sind falsch, aber manche sind nützlich. (George Box)
Abbildung 1: (Quelle: https://unsplash.com/photos/t11oyf1K8kA)
Wozu Wardley Maps?
Wardley Mapping ist ein Werkzeug, um eine Situation oder einen Zustand abzubilden und zu überprüfen, welche Strategien bewusst oder unbewusst Anwendung finden. Dies ermöglicht eine Überprüfung, wie gut diese mit dem Unternehmensziel übereinstimmen und welche Verbesserungspotenziale es gibt. Ein besonders nutzbringender Anwendungsbereich ist hierbei die Analyse von Produkten und Services, um daraus Klarheit zu gewinnen und mögliche Entwicklungspotenziale abzuleiten. Auch für das Skizzieren von neuen Produkten und Dienstleistungen ist Wardley Mapping eine hilfreiche Methode.
Wardley Mapping in der Praxis
Schritt 1: Bestandteile von Wertketten auflisten
Der erste Schritt beim Zeichnen einer Wardley Map ist das Auflisten der Bestandteile der zu betrachtenden Wertkette (oder eines bestimmten Ausschnitts). Konkret benötigen wir den oder die Benutzer (oder Nutznießer), deren Bedürfnisse (was den Nutzen bringt) sowie die Bestandteile (Aktionen, Daten, etc.), die zum Erfüllen der Bedürfnisse notwendig sind.
Schritt 2: Bestandteile in Beziehung zueinander stellen
Manche Elemente stehen in einer direkten Abhängigkeit zueinander. Die Aktivität (A) ist nur möglich, wenn wir vorher Daten (B) gesammelt haben. Eine einfache Wertkette könnte in etwa so aussehen:
Abbildung 2: (Quelle: SEQIS)
Schritt 3: Anordnung der Bestandteile auf einer evolutionären Skala
Nun wird die Wertschöpfungskette auf einer 4-teiligen Skala platziert und die einzelnen Elemente von links nach rechts angeordnet.
Die erste, ganz linke Spalte repräsentiert „Terra Nova“, das unentdeckte Land. Elemente in dieser Spalte sind noch unerforscht, kommen sehr selten vor, werden in Zukunft möglicherweise einen hohen Wert haben, etc. Hier muss geforscht und experimentiert werden. Ganz rechts, in Spalte 4, werden Elemente angeordnet, die stabil, messbar, allgegenwärtig sind. Elemente in dieser Spalte weisen für gewöhnlich einen hohen Standardisierungs- und Automatisierungsgrad auf. Hier wird wenig Wert generiert (Cost of Doing Business) und falls doch, dann zumeist über die Menge (Fließbandproduktion). Für Elemente, die links angeordnet sind, eignen sich oft agile Vorgehensweisen, Wasserfall ist eher rechts angesiedelt. Links sind wir in der Komplexität, wo Irrtum und Fehler erwartet werden. Rechts befinden wir uns in geordneten Systemen, hier gibt es wenig Toleranz für Fehler.
Wir ordnen die Elemente unserer hypothetischen Wertkette nun wie folgt an: Server-Infrastruktur ist „von der Stange“ und die Administration eine Kernkompetenz der Mitarbeiter. Die Web-Applikation läuft stabil, weist jedoch Usability-Mängel auf. Die Expertise der Benutzer ist stark verbesserungswürdig. Das benötigte Reporting ist komplettes Neuland und die Daten dafür werden händisch gesammelt und aufbereitet.
Abbildung 3: (Quelle: SEQIS)
Schritt 4: Verbesserungspotenziale identifizieren
Mit unserer Wardley Map können wir nun bestimmte Fragen stellen und damit Potenziale offenlegen. Bei unserem hypothetischen Beispiel fällt auf, dass die Elemente „Reporting“ und „Daten“ sehr weit links stehen. Reporting ist in vielen Bereichen ein gelöstes Problem, es gibt Templates, Best Practices. Wenn der Rest der Welt ein Problem bereits gelöst hat, es für uns jedoch Neuland ist, kann dies wertvoll sein oder problematisch, und lohnt einen genaueren Blick.
Eine anderer Betrachtungsweise: Wir haben gelernt, dass für Elemente in den linken Spalten agiles Arbeiten angebracht ist. Ganz links muss überhaupt das Rad erst einmal neu erfunden werden. Reporting und Datenerfassung und -aufbereitung sind im Idealfall automatisiert, also rechts angesiedelt. Eventuell gibt es ja auch andere Organisationen mit einer ähnlichen Problemstellung? Dann würde sich eventuelle eine Kooperation anbieten?
Schritte 5-n: Iterieren
Wie eingangs erwähnt, sind Modelle nur eine ungenügende Abbildung der Realität. Daher kann es notwendig sein, unsere Wardley Map iterativ zu verbessern, indem wir die Namen der Elemente verfeinern, Elemente hinzufügen oder entfernen, je nachdem, ob wir den Scope erweitern oder reduzieren wollen. Wir können den Detailgrad verändern, indem wir Elemente aufspalten oder zusammenfassen. Dabei ist es wichtig, den Blick für das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Weniger ist mehr, und besser mehrere kleine Wardley Maps als eine große, die niemand mehr entziffern kann. Machen Sie lieber schnelle Skizzen für rasche Erkenntnisse, anstatt zu versuchen, die Wirklichkeit perfekt darzustellen.
Der Weg ist das Ziel
Wardley Mapping konfrontiert uns mit einfachen Fragen, auf die es klare Antworten geben sollte: Wer sind meine User? Was sind ihre Bedürfnisse? Wie werden diese Bedürfnisse derzeit erfüllt? In welcher Abhängigkeit stehen die unterschiedlichen Faktoren? Diese Grundlagen sind nicht selten unklar oder widersprüchlich. Schon alleine die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist wertvoll.
Auch beim Aufspüren von vergeudeten Ressourcen können uns Wardley Maps helfen. Sie zeigen u. U. Schwachstellen oder Engpässe auf, z. B. in der Form von Prozess-Elementen, die automatisiert werden könnten. Und nicht zuletzt helfen Wardley Maps bei der Kommunikation. Durch die Visualisierung des derzeitigen Zustandes wird es möglich, Wissen zu teilen und produktiv zu besprechen.
Unsere Empfehlung: Einfach ausprobieren, am besten gemeinsam. Es macht überraschend viel Spaß, und durch die unterschiedlichen Meinungen und Sichtweisen ergeben sich oft erstaunliche Erkenntnisse.
Weiterführende Literatur:
Wardley Maps wurden von Simon Wardley erfunden. Sein kostenloses Buch (https://medium.com/wardleymaps) enthält u. A. eine tiefere Beschreibung der evolutionären Stufen und ihrer Eigenschaften sowie einige weitere Denkanstöße zum Aufspüren von Entwicklungspotenzialen.